Qualitätskriterien für einen erfolgreichen Klimarat

Basierend auf vielen internationalen Erfahrungen von Climate citizen assemblies und Klimaräten zwischen September 2020 und März 2021 haben wir* folgende Qualitäts­kriterien in einem Leitfaden zusammen­gefasst.

*Wir, die Allianz Klima-BürgerInnenrat Österreich, bestehen aus: Wir entscheiden Klima!, Fridays for Future, Mehr Demokratie, und  Extinction Rebellion

Leitfaden und Qualitätskriterien als Fließtext wie folgt:

Hintergrund

Es geht um die Lebensgrundlagen aller Menschen in Österreich, und um unsere Zukunft. Am 26.3.2021 haben die ÖVP, die Grünen und die NEOS einem Entschließungsantrag aus dem Umweltausschuß anlässlich des Klima-Volksbegehrens zugestimmt. Darin ist neben anderen Maßnahmen auch ein erster österreichweiter Klima-BürgerInnenrat festgeschrieben. Die Allianz Menschen für Klimaschutz zivilgesellschaftlicher Akteure wie Wir entscheiden Klima!, Fridays for Future, Extinction Rebellion und Mehr Demokratie begrüßt den Einsatz eines Klima-BürgerInnenrats in Österreich.

Die Treibhausgase Österreichs liegen 2019 höher als 1990 (laut UBA). Die gesundheitlichen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen auf Österreich mit über plus 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit sind dramatisch, und liegen doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt. Unternehmen und InteressensvertreterInnen fossiler Energien (Öl, Erdgas und Kohle) und nachgelagerte Sektoren hatten über Jahrzehnte einen überproportionalen Einfluss auf die Politik. Ein unabhängiger BürgerInnenrat kann diese politische Stagnation überwinden und Österreich zu einem internationalen angesehenen Klima-Vorreiter machen. Ein erster nationaler BürgerInnenrat schafft Akzeptanz in der Bevölkerung, erarbeitet mit den Menschen und für die Menschen weitreichende Lösungen, die breit mitgetragen werden.

Vor 43 Jahren hat die historische Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Atomenergie (AKW Zwentendorf) letztlich einen Atomsperrvertrag in Verfassungsrang bewirkt. Und das, obwohl das erste AKW bereits gebaut wurde, das zweite geplant, das Waldviertel als Endlager vorgesehen und Brennstäbe über Köpfe der AtomgegnerInnen per Helikopter eingeflogen wurden. Heute soll ein BürgerInnenrat – als ein Spiegel der informierten Menschen in Österreich – auch in der Energie- und Klimapolitik zukunftsfähige politische Entscheidungen erarbeiten. Nach Irland, Großbritannien, Frankreich und gleichzeitig mit Deutschland, Spanien und Dänemark wird nun auch Österreich bei diesem höchst relevanten Thema auf Partizipation setzen und einen Klima-BürgerInnenrat einsetzen. Damit dieser professionell abgewickelt und erfolgreich wird, hat die Allianz einen Leitfaden und Qualitätskriterien aufgrund von internationalen Erfahrungen erarbeitet und an die Situation in Österreich angepasst.

Vorbereitung und Organisation des KlimaBürgerInnenrats

Auftrag: Ein österreichweiter Klima-BürgerInnenrat ist im besten Fall von politischen EntscheidungsträgerInnen beauftragt und bezahlt wie:

  • Regierung oder Parlament: das ist in Österreich der Fall, der Entschließungsantrag mit Klimamaßnahmen, darunter der Klima-BürgerInnenrat, wurde durch 3 Parlamentsparteien am 26.3. 2021 angenommen.
  • Teile der Regierung oder Teile des Parlaments
  • Eine oder mehrere Parteien

BürgerInnenräte können auch von zivilgesellschaftlichen Akteuren initiiert werden, wie:

  • NGOs / Stiftungen / Vereinen etc.
  • eines Teils der Bevölkerung mit einem künftigen Initiativrecht des Volkes, z.Z. noch nicht der Fall in Österreich, allerdings in Vorarlberg[1] bereits möglich.

Die Qualitätskriterien für einen erfolgreichen nationalen Klima-BürgerInnenrat sind:

  • Legitimierung des Klima-Maßnahmenbündels des BürgerInnenrats[2]: Vor dem Start des BürgerInnenrats verpflichten sich bei Beauftragung durch Regierung oder Parlament diese
    • über den Ergebnistext des BürgerInnenrats (1:1 als Bündel und mit unverändertem Text) eine Volksabstimmung abzuhalten, wenn es die Mitglieder des BürgerInnenrats fordern, oder
    • der Ergebnistext 1:1 (als Bündel und mit unverändertem Text) im Parlament

Ein unabhängiger repräsentativer BürgerInnenrat bringt Ergebnisse und Maßnahmen hervor, die aus einem tiefen Diskurs eines österreichischen Querschnitts von informierten Menschen hervorgegangen sind. Ein BürgerInnenrat nimmt Abgeordneten des Parlaments und Mitglieder der Regierung den Druck und verhindert Einflussnahmen durch Lobbys und Verbände der fossilen Energiewirtschaft. Durch eine intensive Medienberichterstattung soll ein breiter gesellschaftlicher und politischer Diskurs ausgelöst werden, wie die ÖsterreicherInnen die Lebensgrundlagen und das Klima schützen und die Emissionen reduzieren wollen.

  • Auswahlkriterien sind nach größtmöglicher Repräsentativität zu wählen:
    Ein repräsentatives Sample (Abbild) der österreichischen Bevölkerung wird erreicht durch die Auswahl von ca 100 – 150[3] Mitglieder ab 16 Jahren durch ein gewichtetes Losverfahren[4]: zufällig gelost unter Berücksichtigung gewisser Kriterien, die dem jeweiligen Durchschnitt in Österreich bestmöglich entsprechen, wie z.B. Alter, Geschlecht, Wohnort (Gemeinde), Einkommen, Beruf, Land/Stadt, Bildungsabschluss, Migrationshintergrund (Geburtsort), Einstellung zu Klimawandel und Klimaschutz
  • Dauer: Der BürgerInnenrat wird professionell vor- und nachbereitet und tagt ca. 2-4 Monate an ca. 10-20 Tagen, z.B. an 5-7 Wochenenden oder entsprechend in mehreren online Meetings. Es gibt danach 1-2 Nachtreffen zur Überprüfung der Umsetzung der Ergebnisse durch die BürgerInnenrats-Mitglieder. Weiters können im Nachhinein Mitglieder als KommunikatorInnen und BotschafterInnen der Ergebnisse an Medien und an die Bevölkerung auftreten.
  • Physische und online Treffen? Beides ist möglich, wie man am Beispiel Frankreich und Großbritannien sieht: dort traf die 1.Corona-Welle Bürgerräte, die bereits an der Arbeit waren. Bevor die Mitglieder ins Netz auswichen, hatten sie sich also schon getroffen und persönlich kennengelernt. Beide Länder beendeten den BürgerInnenrat in Online-Treffen. So traf sich der französische Klima-BürgerInnenrat noch ein weiteres Mal in Paris zum Beschluss der Empfehlungen. Generell macht es Sinn, zu prüfen, ob 1-3 physische Treffen ermöglicht werden können, und dann online weiter beraten wird.

Vorteile eines online BürgerInnenrats sind: Geringer Aufwand für TeilnehmerInnen, Kostenersparnis, Chance für introvertierte Personen (durch Chat oder Textfunktionen), Vereinfachung und Flexibilität, Ständiger Prozess und Dokumentation.

Nachteile von online Meetings können sein: Selektion durch Technik, Emotionen schwerer vermittelbar, Körpersprache schwerer übertragbar, Visualisierung schwierig, Ablenkung leichter möglich. Es gibt Optionen, um die Nachteile gering zu halten.

  • Die Mitglieder bekommen einen finanziellen Ausgleich (ähnlich der SchöffInnen-Entschädigung) und werden, wenn nötig, zusätzlich unterstützt, wenn sie beruflich oder mit Betreuungsaufgaben schwer abkömmlich sind. So wird z.B. Kinderbetreuung für Alleinerziehende angeboten.
  • Ein wissenschaftlicher Beirat sorgt für Einhaltung von Qualitätskriterien während des gesamten Prozesses, kümmert sich um die Auswahl von ExpertInnen und JuristInnen, organisiert die Bewertung von Klimaschutzvorschlägen und Konzepte von Parteien, NGOs und Interessenvertretungen. Er ist die Instanz der Qualitätssicherung des gesamten Prozesses bis zum Abschlussbericht und Übergabe des Maßnahmenbündels an die Bundespolitik.
  • Eine Koordinierungsgruppe bereitet den BürgerInnenrat vor und setzt diesen nach festgelegten Kriterien um. Sie ist zuständig für: Vorbereitung, Ablaufplan, Moderation, Organisation der Auslosung nach festgelegten Kriterien, Ansprache und Support der Bürgerräte, Durchführung des BürgerInnenrats, Koordination und Ansprache zu Medien, Dokumentation von Fragen und Antworten, Organisation und technische Unterstützung sowie Abschlussevent und Nachbereitung.
  • Legistischer Support: Wenn es die Mitglieder wünschen, bekommt der BürgerInnenrat Hilfe von unabhängigen legistischen ExpertInnen, um einen Gesetzestext zu formulieren, über den dann im Rahmen einer Volksabstimmung oder im Parlament abgestimmt wird.
  • Auswahl von ExpertInnen: FachexpertInnen werden im Vorfeld vom wissenschaftlichen Beirat oder wenn nötig während des BürgerInnenrats auch von einer qualifizierten Minderheit des BürgerInnenrats ausgewählt (nach den Kriterien des wissenschaftlichen Beirats) und den Mitgliedern vorgestellt. Die Mitglieder können selbst weitere ExpertInnen vorschlagen bzw. ExpertInnen auch ablehnen. Diese Auswahl findet während der ersten Sitzung statt. Sollten Mitglieder während des Prozesses noch weitere Expertise brauchen, können sie weitere ExpertInnen anfordern. Die maximale Anzahl von ExpertInnen wird auf Vorschlag des wissenschaftlichen Beirats oder der Mehrheit der Mitglieder festgelegt, um einen ordnungsgemäßen Ablauf mit vorhandenen Mitteln und im Rahmen der anberaumten Zeit zu gewährleisten.
  • Einholen von Klimaschutz-Vorschlägen von Akteuren und aus der Bevölkerung:
    Parteien, Interessensvertretungen und NGOs sowie die österr. Bevölkerung sind aufgerufen, ihre konkreten Klimaschutz-Konzepte und Vorschläge rechtzeitig vor Beginn vorzulegen. Die Konzepte können Instrumente und Maßnahmenvorschläge aus dem gesamten Klimaschutz Portfolio beinhalten, wie politische und steuerliche Maßnahmen und Instrumente über etwa:

     

    1. alle Sektoren, wie CO2-Bepreisung, Anreize von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, Beenden klimaschädlicher Subventionen, oder
    2. Sektormaßnahmen in allen klimarelevanten Bereichen wie zB. Mobilität, Gebäude, Energiebereitstellung, Industrie, Konsum, Land- und Forstwirtschaft, Abfall und Recycling, Wasserversorgung, Kreislaufwirtschaft, Sharingmodelle, Reparaturservices, etc., um Klimaneutralität in Österreich zu erreichen.
  • Quantifizierung und Bewertung der Instrumente und Maßnahmen hinsichtlich ihres Beitrags zur Zielerreichung: Ein begleitendes Team von ExpertInnen (KlimawissenschafterInnen, VolkswirtInnen, EnergieexpertInnen etc.) rechnet die Auswirkungen der eingereichten Maßnahmen auf das Klima (dadurch verursachte Treibhausgasemissionen bzw. deren Einsparungen), und volkswirtschaftliche Auswirkungen (wie z.B. Beschäftigung, Verteilungswirkung vertikal und horizontal sowie hinsichtlich der Grundversorgung) durch und stellen die Ergebnisse den Mitgliedern und der Öffentlichkeit uneingeschränkt zur Verfügung. Diese Berechnungen erfolgen schon deutlich vor dem Start des BürgerInnenrats zu den Eingaben der ExpertInnenen, NGOs, Parteien und Interessensvertretungen, während der Diskussion einzelner Instrumente und Maßnahmen in den Kleingruppen und vor der Abstimmung über die letztlich empfohlenen Instrumente und Maßnahmen. Die Mitglieder sollen die Chance erhalten, einen Instrumente- und Maßnahmenkatalog vorzulegen und zu beschließen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit ( > 66 % ) die selbst gesteckten Ziele im Bereich Klimaschutz erreichen lässt.

Ablauf und Inhalte

  • Folgender Ablauf des BürgerInnenrats wäre anstrebenswert:
    1. Die Mitglieder des BürgerInnenrats werden zu Beginn eingehend über den wissenschaftlichen Stand der aktuellen Situation des Klimawandels, der österreichischen Emissionen und deren ökonomischen, sozialen, gesundheitlichen, und ökologischen Auswirkungen auf die heutige und auf die nächsten Generationen Zu jedem Zeitpunkt dürfen die Mitglieder Fragen stellen. Die Vorträge und Antworten sollen in einer allgemein verständlichen Sprache und mit Beispielen und Bezug zum Alltagsleben der Mitglieder gestaltet werden.
    2. Der BürgerInnenrat legt einen Zeitpunkt, wann Österreich Klimaneutralität erreichen soll, fest. Auch eine Perspektive für danach mit einem allenfalls notwendigen Plan zu dauerhaften Negativemission[5] für ein klimapositives Österreich soll umrissen werden.
    3. Die Mitglieder entscheiden, welche Klimaschutzziele mit welcher Wahrscheinlichkeit erreicht werden sollen und brechen die globalen Ziele auf Europa und Österreich herunter. Sie entscheiden dabei, nach welchem Gerechtigkeitsmodell das CO2-Budget für Österreich berechnet werden soll, also ob alle ÖsterreicherInnen im Durchschnitt pro Kopf ab z.B. 1.1.2022 mehr, gleich viel oder weniger verbrauchen sollen als Menschen in anderen Ländern.
    4. Dem BürgerInnenrat wird dargelegt, wie wirkungsvoll unterschiedliche konkrete (politische) Maßnahmen und Instrumente zur Emissionsreduktion sein können. Mögliche Klimaschutzziele und Emissionsreduktionspfade (inklusiver negativer Emissionen) zur Erreichung dieser Ziele werden vorgestellt.

Dabei werden die Instrumente in folgende Kategorien eingeteilt, wie:

  • Bewusstseins- und Konsumpräferenz-Änderungen
  • Marktwirtschaftliche (preisbasierte) Instrumente wie ökologische (CO2)-Steuer- bzw. Fiskalreform (inklusive Reform von klimakontraproduktiven Subventionen oder Verbesserung und allfällige Ausweitung des Emissionshandelssystems auf neue Sektoren; Schaffung eines eigenen, nationalen Emissionshandels für bisher im EU-ETS (Emissions Trading System) nicht erfasste Sektoren; Reform der bisherigen Energiesteuern auf Kohle, Mineralölprodukte, Erdgas und Strom.
  • Ordnungsrechtliche Instrumente wie z.B. Standards zu Gebäude (Passivhausstandard, Niedrigstenergiegebäude), Flottenverbrauch für KFZ; Verbot von Verbrennungsmotoren, Öl- und Gasheizungen; Gebot von Erneuerbaren Energien, Anteil von nachwachsenden Rohstoffen in Bau- und Dämmstoffen…
  • Subventionen für erwünschtes Verhalten und klimafreundliche Investitionen für Gebäude, Verkehr; CCfD (Carbon Contracts for Difference) für CO2-intensive Industrieproduktionen; staatliche Forschungsausgaben und Unterstützung von privaten Forschungs- und Entwicklungsausgaben
  • Präsentation der Auswirkungen der eingeholten Maßnahmen auf Emissionsreduktion und Volkswirtschaft: Im Vorfeld wurden – wie oben beschrieben – bereits diverse Instrumente, Maßnahmen, Konzepte und Vorschläge von Parteien, Interessensvertretungen, NGOs und aus der Bevölkerung eingeholt. ExpertInnen präsentieren nun dem BürgerInnenrat die eingeholten Vorschläge und deren berechneten Auswirkungen auf die Treibhausgas-Emissionen sowie deren volkswirtschaftliche Auswirkungen, wie jene auf die Verteilung von Vermögen, Einkommen und Beschäftigung. Auch hier werden die Bürgerräte aufgefordert, Fragen zu stellen und ein gemeinsames Verständnis über die Auswirkungen der Instrumente und Maßnahmen zu entwickeln.

In Folge führt der BürgerInnenrat den Diskurs im Plenum und in Kleingruppen. Dieser findet unabhängig von der Politik und ohne InteressensvertreterInnen statt, der BürgerInnenrat als Ganzes oder einzelne Mitglieder können aber immer ExpertInnen befragen.

  • Die Mitglieder stellen eine Liste an Klimaschutzinstrumenten zusammen, die in ihrer Gesamtheit die selbst gesteckten Klimaschutzziele erreichen lassen. Mehrere Instrumenten-Mixe sind denkbar und werden schließlich abgestimmt.
  • Partizipativer Diskurs und Willenbildungsprozeß im BürgerInnenrat: Die Mitglieder dürfen und sollen ihren Diskurs und politischen Willensbildungsprozess in einem vertraulichen und geschützten Rahmen führen können. Zentrale Aussagen, Fragen und Antworten an ExpertInnen werden anonym festgehalten und dokumentiert und nach jeder Sitzung entsprechend aufbereitet. Diese Argumentationen und der gesamte deliberative Diskurs wird der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Die Namen der Mitglieder werden nicht genannt, um Anonymität zu gewährleisten und keinen unnötigen Druck aufzubauen. Die Mitglieder sollen das Gefühl vermittelt bekommen: „Meine Meinung ist gewünscht und zählt.“ Eine wertschätzende, wohlwollende Atmosphäre auch bei divergierenden Meinungen ist Basis während des gesamten BürgerInnenrats. Die Mitglieder starten gewöhnlich im Plenum und gehen in Folge in verschieden zusammengewürfelte Kleingruppen.
  • Medien: Auf Wunsch dürfen Interviews von einzelnen Bürgerräten stattfinden unter Beachtung der Chatham House Rules (ohne Nennung von Namen, keine Info über vertrauliche Gespräche, etc.), allerdings mit Beschränkung auf persönlichen Erfahrungen oder auf den Lernprozess in der Gruppe. Der BürgerInnenrat kann entscheiden, wann Informationen gegenüber Medien kundgetan werden sollen. Ansonsten sollen zwischen den Treffen die Mitglieder den Medien keine Interviews über Ergebnisse oder Teilergebnisse geben, um zu verhindern, dass der Diskurs durch die gewählte Politik, Lobbys oder Verbände vorzeitig beeinflusst werden kann.
  • In jeder Kleingruppe wird von der Koordinierungsgruppe eine SchriftführerIn zur Verfügung gestellt. Ihre Aufgabe ist es, sorgsam die Formulierungen mitzuschreiben, auf die Klarheit und Prägnanz der Aussagen oder Maßnahmenvorschläge zu achten, ev. Gruppierung der Vorschläge anzuregen, oder Vorschläge mit unterschiedlicher Tragweite zu erarbeiten, und danach diese im Plenum zu präsentieren. Kleingruppen werden professionell moderiert, und ohne Einflussnahme und Lenkung für oder gegen bestimmte Vorschläge durchgeführt. Sie geben den Mitgliedern einen vertrauten, sicheren Rahmen und – vor allem – motivieren alle Mitglieder zur möglichst gleich langen und gleich intensiven Teilnahme an dem Diskurs. Die Moderation soll im besten Fall einen ergebnisoffenen Prozess unterstützen, der eine Tendenz einer Konsensbildung beinhaltet.
    In Kleingruppen findet ein Meinungs- und Willensbildungsprozess zu Themen statt, es werden andere Lebenswelten und Meinungen ausgetauscht, Vorschläge entwickelt, besprochen, entworfen und verworfen und letztlich verschiedene Vorschläge für das Plenum kreiert.
  • Entscheidungsfindung im BürgerInnenrat (in Kleingruppen bzw. im Plenum):
    Die Entscheidung darüber läuft auf diese Weise ab:
    Pro und Contra zu den einzelnen Vorschlägen
    2. Mögliche Beantwortung von aufkommenden Fragen an ExpertInnen
    3. Meinungsbildungsprozeß in einem unabhängigen Rahmen
    4. Die Mitglieder bestimmen selbst, ob sie bei Abstimmungen bzw. welche Fragen sie in Kleingruppen oder im Plenum abstimmen wollen.
  • Quorum: Eine Akzeptanz von mehr als 50% ist ausreichend für einen Beschluss von Maßnahmen, die im Parlament einfache Mehrheiten brauchen, 66,6% Akzeptanz für Maßnahmenvorschläge für Verfassungsänderungen.
    Angestrebt wird jedoch eine Akzeptanz von 60% für einfache Mehrheiten und 80% für Verfassungsänderungen. Kann diese Zustimmungsrate nicht erreicht werden, wird nochmals in Kleingruppen beraten und es gibt eine zweite Abstimmung.
    Bei der zweiten Abstimmung gilt das obige, niedrigere Die Prozentsätze der Akzeptanz pro Entscheidung werden in jedem Fall veröffentlicht.
  • Erreichung selbstgesteckter Emissionsreduktionsziele: Es werden zuerst Teilpakete abgestimmt. Wer bei der Erreichung der selbstgesteckten Emissionsreduktionsziele – bei offener Abstimmung – ein Teilpaket ablehnt, muss einen ausreichend großen Ersatzvorschlag einbringen, über den wiederum abgestimmt wird.
  • Ergebnisziel des BürgerInnenrats: Das Ergebnisziel des BürgerInnenrats ist erreicht, wenn das Maßnahmenbündel des BürgerInnenrats laut Berechnungen von ExpertInnen die selbstgesteckten Klimaschutz- und Emissionsreduktionsziele mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit
  • Abschluss: Beim letzten Treffen entscheidet der BürgerInnenrat, ob die Umsetzung im Parlament erfolgen oder ob über die Ergebnisse eine Volksabstimmung stattfinden und welcher Text vorgelegt werden soll. Außerdem hat der BürgerInnenrat das Mandat, weitere BürgerInnenräte ins Leben zu rufen. Danach geht der Gesetzestext zur Abstimmung in den Nationalrat.
  • Ein Abschlussbericht mit allen Beschlüssen und dem Prozess der Entscheidungsfindung wird an alle Haushalte verschickt – abgesegnet vom BürgerInnenrat – insbesondere zur Information für eine etwaige Volksabstimmung.
  • Nachbereitung und BotschafterInnen der Ergebnisse: Auf Wunsch der Mitglieder können diese ca. 1 Jahr nach Abschluss des BürgerInnenrates noch einmal z.B. auch online zusammenkommen, um die Umsetzung der Vorschläge zu beurteilen. Mitglieder sind eingeladen, auch als BotschafterInnen zu dem BürgerInnenratsprozess und zu den Ergebnissen gegenüber Medien und der Bevölkerung aufzutreten.

Impressum des Leitfadens: Allianz Klima-BürgerInnenrat der NGOs Wir entscheiden Klima!, Mehr Demokratie, Fridays for Future und Extinction Rebellion

Erarbeitet von:
Wir entscheiden Klima!: Mag. Hannes Bauer, Mag. Doris Holler Bruckner, Mag. Karin Neckamm
Mehr Demokratie: Mag. Erwin Mayer
Fridays for Future: Philippa Kaufmann, Roman Tiefenbacher
Extinction Rebellion: Dr. Caroline Thurner, Martha-Sophie Krumpeck, Ronja Kern

März 2021

Website & Mail:

www.wirentscheidenklima.at

klimabuergerrat@protonmail.com

[1] In Vorarlberg dürfen 1000 Menschen einen BürgerInnenrat initiieren und bekommen dafür Unterstützung.

[2] Wenn Bürgerräte legitimierte politische Entscheidungen treffen können soll, und nicht nur Empfehlungen aus dem BürgerInnenrat durch das Parlament oder Volksabstimmung legitimiert werden sollen, dann bräuchte es eine Änderung der österreichischen Bundesverfassung mit 2/3 Mehrheit und anschließender Volksabstimmung, also mehrere Jahre Vorlaufzeit. Diese Zeit haben wir nicht im Klimaschutz.

[3] Internationale Erfahrungen mit Klima-Bürgerräten zeigen, dass die Bürgerräte aus 150 BürgerInnen in Frankreich, 99 BürgerInnen und ein Vorsitz in Irland, und aus 108 BürgerInnen im Vereinigten Königreich zusammengesetzt waren.

[4] Im Athen der Antike gab es oft Losverfahren zur Auswahl der Entscheidungsträger in Legislative, Exekutive und Judikatur. Nur wenige Posten wie Militärführung und Finanzverantwortliche wurden für kurze Perioden gewählt.

[5] Internationales Beispiel Schweiz: ab 2040 soll die Schweiz klimapositiv werden, indem sie dazu beiträgt, dass mehr Emissionen aus der Atmosphäre entnommen werden, als ausgestoßen werden. Damit soll die Schweiz ihre historische Verantwortung an der globalen Klimaerwärmung wahrnehmen und international überproportionalen und enormen Emissionen aus der Vergangenheit abbauen.